Verkehrsgeschichte im Raum Niederberg

Die Entwicklung des Eisenbahnnetzes im Raum Niederberg

I. Allgemeines
Am Aufschwung des Wirtschaftslebens während des 19. Jahrhunderts waren im Wesentlichen die Entwicklung der Eisenbahnen, die lokalen Nebenbahnen und die Dampfschiffahrt beteiligt. Diese Transportmittel verbilligten und beschleunigten den Transport von Personen und Gütern ganz erheblich.

Für Produzenten und Abnehmer bedeutete die Regelmäßigkeit und Pünktlichkeit der neuen Verkehrsmittels die Ablösung der Vorratswirtschaft und der Übergang zum modernen Termingeschäft.

Der Personentransport verbilligte sich um 50%, der Aufwand reduziert sich durch die beschleunigte Beförderung noch um die Ersparnisse an Wegzehrung und Quartier. Der Transport von Massengütern, wie Eisen und Kohle, verbilligte sich beim Übergang vom Packpferd zur Eisenbahn ebenfalls ganz erheblich.

Ein Landfuhrwerk benötigte für die Bewältigung von 100 km infolge seiner Wetterabhängigkeit oft mehrere Wochen (bei extremen Witterungsverhältnissen war ein Transport gar unmöglich). Die Eisenbahn erreichte um 1830 schon 30 km/h, bis 1900 im Güterverkehr 45 - 50 km/h, im Personenverkehr 60 - 90 km/h.


II. Das Verkehrsnetz in Niederberg
Bereits bis 1820 waren im Raum Niederberg die beiden Kohlenstraßen von Werden (heute: Essen - Werden) über Velbert und Tönisheide (heute: Velbert - Tönisheide) nach Solingen und deren Anschlußstraße von Tönisheide über Langenberg nach den Kohlengruben um Altendorf (heute: Essen - Altendorf) und Hattingen (1818) fertiggestellt worden. Ab 18?? setzte dann der Ausbau des Bezirks- und Kommunalstraßennetzes ein, der in den 80er Jahren abgeschlossen war.

Den Personentransport versah in Velbert seit 1829 die Postkutsche, die zweimal wöchentlich zwischen Elberfeld (heute: Wuppertal - Elberfeld) und Essen verkehrte. Erst in den 70er Jahren erhöhte sich Frequenz auf 4 tägliche Fahrten zum Bahnhof Neviges bzw. 2 Fahrten zum Werdener Bahnhof. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Postkutsche endgültig durch Schienenfahrzeuge verdrängt.


III. Entwicklung des Eisenbahnnetzes in Niederberg - Deutschlands erste Eisenbahn
Wichtiger für die Entwicklung der Industrie war der schnellere und billigere Transport auf der Schiene. Die ersten Ansätze des Eisenbahnbaues im Bereich Niederberg gehen auf Versuche Friedrich Harkorts im Jahr 1825 zurück. Hätte die Regierung mit ihrer verständnislosen Haltung diese Pläne nicht zum Scheitern gebracht, wäre die erste deutsche Dampfeisenbahn durch das Deilbachtal verlaufen. So wurde lediglich der Bau einer Pferdebahn gestattet, die vom Himmelfürster Erbstollen bis zum Kohlenmagazin in Nierenhof verlief (1828 - 29), wo sie Anschluß an die Kohlenstraße von Hattingen über Nierenhof - Neviges - Asbruch nach Elberfeld fand. Die Spurweite betrug zunächst zwei preußische Fuß (ca. 630 mm). Max. zwei Pferde beförderten 10 bis 12 Kohlenhunde.

Die 1831 vom späteren Kaiser Friedrich Wilhelm IV. besichtigte und nach ihm "Prinz Wilhelm Bahn" benannte erste deutsche Eisenbahn wurde bis zum 1. Dezember 1846 zwischen Vohwinkel (heute: Wuppertal - Vohwinkel) bis Kupferdreh (heute: Essen - Kupferdreh) in eine normalspurige eingleisige Dampfbahn umgebaut. Die 25,93 km lange Strecke verlief vom Vohwinkel Pbf der Düsseldorf - Elberfelder Eisenbahn - Gesellschaft (ab 1.1.1882 an Preußen) über Blockstelle Stellwerk X - Aprath - Blockstelle Oberdüssel - Bezirksgrenze bis Kupferdreh. Zeitgleich wurde die Verlängerung (4,5 km) bis Überruhr (heute: Essen - Überruhr) in Betrieb genommen. Bei Neviges wurde mit Hilfe einer Spitzkehre eine Steigung von 1:30 überwunden.

Als es später leistungsfähigere Dampflokomotiven gab wurde die Spitzkehre nicht mehr benötigt und zurückgebaut. Am 1. Juni 1863 wurde das 2,27 km lange Streckenteil Überruhr - Steele (heute: Essen - Steele) in Betrieb genommen. Damit wurde der verkehrstechnische Nachteil - die fehlende Verbindung an das nach Norden führende Streckennetz der anderen Eisenbahngesellschaften - wettgemacht.

Über den Bahnhof Neviges erhielt die Industrie der Bürgermeisterei Velbert den ersten Anschluß an das deutsche Eisenbahnnetz. Durch die Inbetriebnahme der 28,74 km langen Strecke Düsseldorf-Rath - Kupferdreh über Kettwig und Werden am 01./12. Februar 1872 (Personenverkehr / Güterverkehr), und am 15. August 1877 der 7,85 km langen Strecke Essen - Werden kamen mit den Bahnhöfen Werden für Velbert und Hösel für Heiligenhaus weitere Anschlußstationen hinzu.

Die niederbergischen Städte Heiligenhaus, Velbert und Wülfrath mußten jedoch noch länger auf die direkte Anbindung an das Eisenbahnnetz warten. Selbst nach der Verstaatlichung der privaten Eisenbahngesellschaften in unserer Region in den Jahren 1879 bis 1883 dauerte es noch bis 1886 ehe hier Fortschritte erzielt wurden.

Erst am 1. Februar 1886 wurde der 4,89 km lange Abschnitt Aprath - Wülfrath dem Verkehr übergeben. Bis zum 1. November 1888 dauerte es bevor der erste Güterzug Velbert erreichte, der Personenverkehr wurde erst am 1. Februar 1889 eröffnet. Die Strecke von Wülfrath nach Velbert (Südbahnhof) war 8,55 km lang.

Heiligenhaus erhielt zwar durch die Eröffnung der 17,22 km langen Angertalbahn von Wülfrath nach Ratingen West am 28. Mai 1903 im Haltepunkt Hofermühle eine neue Zubringerstation, mußte aber auf einen direkten Anschluß an das Eisenbahnnetz bis 1925 warten.
Die auf dem neuen Velberter Bahnhof umgeschlagenen Gütermengen unterstrichen bereits in den ersten Jahren die Notwendigkeit einer Bahnstrecke. Die Beförderungszahlen nahmen folgende Entwicklung:

Empfang von: (in t)

1890/91

1891/92

1901

1904

1912

1914

Roheisen u. Stahl

 

3.515

9.594

18.645

25.545

?

Kohlen

 

15.623

39.736

43.201

61.072

?

Kies und Sand

 

5.874

?

15.593

?

?

Gesamt

?

37.391

?

103.659

?

?

             

Versand von:

           

Erzen

 

529

2.295

?

2.975

?

Eisen- u. Stahlwaren

 

1.080

3.038

11.132

15.426

?

Gesamt

?

2.269

?

23.608

?

?

             

Beförderte Personen

41.774

42.000

60.597

60.000

140.459

83.940


Innerhalb eines Zeitraumes von 20 Jahren (1892 bis 1912) steigerte sich der Versand von Eisen- und Stahlfertigwaren um das 17,5fache, der Empfang von Roheisen und Stahl stieg um das 6-fache, der von Steinkohle um das 4-fache. Die Zahl der verkauften Fahrkarten läßt einen starken Anstieg des Personenverkehrs bis 1912 erkennen, der dann durch das im Ausbau befindliche Kleinbahnnetz gestört wurde.

1911 fiel die folgenschwere Entscheidung zugunsten einer Verlegung des Bahnhofs in Velbert vom alten Südbahnhof (Oberstadt) zum neuen Hauptbahnhof in der Unterstadt, und damit auch für den Streckenverlauf um Velbert herum, anstatt über Dalbecksbaum nach Heiligenhaus. Außer der Wülfrather Schleife (ca. 6 km) erfuhr die Strecke Vohwinkel - Velbert - Kettwig eine weitere Verlängerung um den Velberter Bogen (4 km länger als über Dalbecksbaum, insgesamt also 10 km Umweg, die 20 Minuten Fahrzeitverlängerung bedeuteten). Im später entstandenen Konkurrenzkampf zwischen Bundesbahn und Straßenverkehrsunternehmen wirkte sich das besonders nachteilig aus.

Der erste Spatenstich erfolgte am 23. Juli 1913 bei den Arbeiten für die Talbrücke über die Kirchhofstraße in Velbert.
Die durch den I. Weltkrieg verursachte Arbeiter- und Materialverknappung bewirkte 1916 die Einstellung der Bauarbeiten an der Strecke. Erst von Herbst 1918 an bis zum Jahre 1920 wurden - in ihrem Umfang schwankend - zeitweilig Arbeiten durchgeführt.

Mit Gründung der Deutschen Reichsbahn Gesellschaft und mit Vertrag vom 31. März 1921 ging das Eigentum an den Eisenbahnen auf das Deutsche Reich über. Der Staat Preußen schied damit als Vertragspartner aus. Das Interesse der Deutschen Reichsbahn an den Bau neuer Strecken war nur noch gering. Soweit der Bau solcher Nebenbahnen früher begonnen war, beschränkte man sich auf Maßnahmen zur Erhaltung der entstandenen Bauwerke.

Bis zum Jahre 1922 standen die unfertigen Brückenbauwerke herum. Zahlreiche Eingaben erwirkten am 12. Mai 1922 die Genehmigung des Reichstages, die Strecke weiterzuführen. Fortschritte wurden zunächst am Streckenteil Velbert - Heiligenhaus erzielt (Gleisverlegung).

Im Januar 1923 erfolgte eine weitere Verzögerungen durch die Besetzung des Ruhrgebietes durch belgische und französische Truppen. Das Rheinlkand wurde wirtschaftlich total abgeschnürt. Unter erheblicher finanzieller Beteiligung der Gemeinde Heiligenhaus und der umliegenden Gemeinden gelang die Fertigstellung der Eisenbahnlinie bis nach Heiligenhaus 1925 und und die Weiterführung bis Kettwig mit Anschluß nach Essen 1926. Damit verkürzte sich der Schienenweg von Velbert bis zum Ruhrgebiet um 20 km; das bedeutete eine beträchtliche Verminderung der Kosten für den Güterverkehr und eine - besonders für den Arbeiterpendelverkehr wichtige - Fahrzeitverkürzung für den Personenverkehr zwischen Essen und Vohwinkel Wuppertal.


IV.Entwicklung des Kleinbahnnetzes in Niederberg
Ihrer geringen Bau- und Betriebskosten wegen blieb es den Kleinbahnen vorbehalten, die abgelegenen und weniger entwickelten Landesteile zu erschließen. Dieser Aufgabe übernahm im Niederbergischen Raum die Bergische Kleinbahn A.G., die um die Jahrhundertwende ein dichtes Straßenbahnnetz ausbaute, dem alle größeren Orte angeschlossen waren.

Da Velbert naturgemäß verkehrsungünstig liegt, begann der Kleinbahnbau sehr früh. 1898 wurde die Straßenbahnstrecke Elberfeld - Velbert, und 1899 die Strecke Velbert - Werden mit Anschluß nach Essen und Velbert - Heiligenhaus mit Dampfbahnanschluß nach Hösel (1899) eröffnet. Ab 1912 kam die Linie Düsseldorf - Mettmann - Wülfrath - Tönisheide dazu, die den Velberter Raum mit der Kreisstadt verband. Da die Kleinbahnen wesentlich häufiger verkehrten und die Zusteigemöglichkeiten besser waren, wurden sie der Eisenbahn vorgezogen. Die Zahl der im ersten Berichtsjahr beförderten Personen betrug 170 000 in Richtung Velbert und 120 000 in Richtung Hösel. Die Eisenbahnstationen dieser beiden Orte waren die Personen- und Güterumschlagplätze für Heiligenhaus.

Die Strecken zwischen Heiligenhaus und Hösel bzw. Velbert richtete man bereits 1 bzw. 2 Jahre nach ihrer Eröffnung auch auf Güterverkehr ein, um den Gütertransport für die Heiligenhauser Industrie zu erleichtern. Durch den Gütertransport gewann die Kleinbahnstrecke Velbert - Heiligenhaus - Hösel besondere Bedeutung für die Heiligenhauser Industrie, die noch keinen direkten Eisenbahnanschluß besaß. Bald nach Einrichtung des Güterverkehrs (1900/01) wurden von hier aus nach Velbert und Hösel je 40 000 t Güter jährlich transportiert. Die Beförderungszahlen nahmen folgende Entwicklung:

Versand nach:

1899

1902

Velbert

 

17.500 t

Hösel

 

20.400 t

     

Beförderte Personen nach:

   

Velbert

171.500

 

Hösel

120.300

 

Am 2. Juli 1952 verließ der letzte Straßenbahnzug Velbert. Der Omnibus hatte mit kürzeren Fahrzeiten, eine bessere Bewältigung des Stoßverkehrs und eine größere Beweglichkeit einige Vorteile. Die ab Mitte der 50er Jahre gebauten Anderthalbdecker- und Großraumbusse hatten gleichwertige Fahrgastkapazitäten zu den Straßenbahnen.
Um den Personentransport auf den niederbergischen Stra8en bemühten sich nach dem Krieg neben den traditionellen einheimischen Unternehmen - auch die Post, die Wuppertaler Stadtwerke und die Rheinbahn.


V. Weitere Pferdebahnen in der Region Niederberg
Etwa um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war der Abtransport der Erze von den verstreut liegenden Gruben um Heiligenhaus / Velbert zur Phoenixhütte mit großen Schwierigkeiten verbunden. Da die Eisenbahnanschlüsse zu weit entfernt lagen, sah man sich genötigt, eine Pferdeschleppbahn durch das Hefeltal zu bauen. Ihr Ausgangspunkt war bei der Zeche Wulff VII bei Abtsküche, folgte dem Laupenbachtal bis Krehwinkel, stieg bis Plätzchen an, führte durch das Hülsbecktal an Langenhorst vorbei und vereinigte sich bei Oberhesper mit der später erbauten Schleppbahn der Aurora - Steinbrüche. Von der Zeche Dreckbank in Hamm ab konnte die an der Ruhr entlangführende private Hespertalbahn nach Kupferdreh benutzt werden. Bergauf mußten die beladenen Erzloren von Pferden gezogen werden; die zu Tal fahrenden vollen Wagen zogen mit ihrem Gewicht die leeren Loren bergaufwärts.
Die Schleppbahn durch das Hespertal bestand um 1892 allerdings nur noch bis zum Steinbruch am Sondern; der Abzweig über Langenhorst nach Krehwinkel war zu der Zeit wegen der Erschöpfung der anliegenden Erzvorkommen bereits abgebrochen.

Bei der teilweise beträchtlichen Entfernung der Fabrikationsstätten zu den Eisenbahnstationen gab es in der Bürgermeisterei Velbert zahlreiche Fuhrunternehmen, die 53 Menschen beschäftigten. Der Verkehr wurde also um die Jahrhundertwende hauptsächlich von den Schienentransportmitteln getragen, wobei im Personentransport die Kleinbahnen, im Gütertransport die Eisenbahn bedeutungsmäßig überwogen. In der Region fehlte jedoch immer noch eine direkte Güterverkehrsverbindung zu der Montanindustrie des Ruhrgebietes. Die benötigten Rohstoffe mußten den Umweg über das Wuppertal nehmen (über die Rheinische Strecke Duisburg-Wedau - Ratingen-West oder über Steele - Kupferdreh - Langenberg), bis sie nach Velbert gelangten. Einen besonderen Einfluß übte die Eisenbahn auf die Standorte der Industrie aus. Die bedeutendsten Unternehmen siedelten sich in Velbert wie auch in Tönisheide in der Nähe der Bahnlinie an. Durch die Verlegung des Velberter Bahnhofs (vom alten Südbahnhof zum Hauptbahnhof) im Zuge der Streckenfortführung nach Heiligenhaus - Kettwig kam diese Verkehrsorientierung der Industrie innerhalb Velberts noch deutlicher zum Ausdruck.


VI. Fahrgastverhalten
Die Region Niederberg hatte schon zu Beginn der Industrialisierung bis in die heutige Zeit ein starkes Pendlerfeld. Während es in Velbert stark nach Osten ausgerichtet war, war das Pendlerfeld von Heiligenhaus stärker nach Westen orientiert.
Dabei überwog (auch heute noch) der Anteil an Einpendlern (1960: 3410 Ein- zu 1955 Auspendlern). Ursache war die starke Einseitigkeit des Arbeitsmarktes (Schlösser- und Beschlägeindustrie), die viele Erwerbspersonen dazu zwingt, in den vielseitiger strukturierten Großstädten bzw. in den von anderen Wirtschaftszweigen bestimmten kleineren Nachbargemeinden Arbeit zu suchen. Nach dem II. Weltkrieg hat ein Unternehmen der Elektrobranche (AEG) für eine beträchtliche Auflockerung der Gewerbestruktur gesorgt, die jedoch seit Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts mittlerweile fast bedeutungslos geworden ist.
Dadurch verlor die heimische Schloß- und Beschlagindustrie Arbeitskräfte, die nunmehr aus entfernteren Gemeinden angeworben werden mußten. Diese beträchtlichen Pendlerströme stellen den Personenverkehr wegen der zu bewältigenden Transportspitzen vor schwierige Probleme und bereiten der Verkehrsplanung bis heute ernste Sorgen. Seit dem 31. Dezember 1995 findet der gesamte Personenverkehr und der größte Teil des Güterverkehrs in der Region auf der Straße statt.

Nach der Stillegung der Straßenbahnlinien (am 27. Januar 1952 die Strecke Velbert - Heiligenhaus) hat auch die Bundesbahn den Personenzug- und Reisegepäckverkehr auf den niederbergischen Bahnhöfen Heiligenhaus, Velbert (West- und Hauptbahnhof), Tönisheide und Wülfrath aus Gründen der Unrentabilität eingestellt, so daß die Straße im geländeschwierigen Niederberg, nach dem kurzen Siegeszug des Schienenverkehrs um die Jahrhundertwende, den endgültigen Sieg davongetragen hat.
Dabei war die Gemeinde Heiligenhaus erst 1925 - 26 an das Eisenbahnnetz angeschlossen worden, nachdem der lange Streit über die Linienführung, der I. Weltkrieg, die Ruhrbesetzung und die anschließende Inflation den Bau der Strecke Velbert- Heiligenhaus - Kettwig hinausgezögert hatten. (vgl. H. Gaspers in Velbert, 1956, S. 141 ff.).

Den bereits in den 20er Jahren einsetzenden Konkurrenzkampf zwischen Schiene und Straße konnte die Reichsbahn bis zum II. Weltkrieg zunächst für sich entscheiden. Sie verhinderte die Durchführung einer Schnellwagenverbindung der Straßenbahn zwischen Elberfeld und Werden (Fahrzeit 71 Minuten) mit Omnibusanschluß nach Essen, welche die Fahrzeit zwischen Essen und Elberfeld auf insgesamt 100 Minuten herabgesetzt hätte; hintertrieb die Busverbindung zwischen Wülfrath und Velbert und versuchte, allerdings ohne Erfolg, durch ihre Einsprüche die Entwicklung des Gütertransportes per LKW zu verhindern, der hier schon vor dem I. Weltkrieg eingesetzt hatte. 1925 richtete die Post erstmals im Niederbergischen Raum Omnibuslinien ein, und zwar je 7 Wagenpaare auf den Strecken Velbert - Heiligenhaus - Homberg - Ratingen bzw. Heiligenhaus - Kettwig. Nach Eröffnung der Eisenbahnlinie Heiligenhaus - Kettwig (1926) wurden die Postverbindungen zwischen Velbert und Heiligenhaus sowie von Heiligenhaus nach Kettwig zwar wieder aufgegeben, jedoch verlängerte die Post 1934 die verbleibende Verbindungsstrecke Heiligenhaus - Ratingen über Velbert nach Langenberg und über Ratingen nach Düsseldorf hinaus. 2 Jahre später eröffnete die Rheinische Bahngesellschaft - nachdem sie die Kreis- Mettmanner-Straßenbahn- GmbH übernommen hatte - eine Buslinie Düsseldorf - Mettmann, die später bis Velbert verlängert wurde. Die 1940 von den Wuppertaler Stadtwerken übernommene Bergische Kleinbahnen AG mußte mit Rücksicht auf ihr ausgedehntes Straßenbahnnetz auf die Einstellung von Bussen verzichten. Die Wuppertaler Stadtwerke hatten 1925 die Buslinie Elberfeld - Wülfrath in Betrieb genommen, die 1940 stillgelegt wurde. Eine weitere Buslinie von Barmen nach Langenberg (seit 1927) erfuhr 1948 eine Verlängerung bis nach Velbert. Nach dem II. Weltkrieg vollzog sich die endgültige Verdrängung des Schienenverkehrs durch den Straßenverkehr. Die Zerstörung der Ruhrbrücke bei Kettwig im Jahre 1945 begünstigte diesen Wandel. Als nämlich die Bundesbahn nach Fertigstellung der Brücke 1951 den durchgehenden Schienenverkehr nach Essen wieder aufnehmen wollte, lag sie bereits hoffnungslos im Hintertreffen gegenüber dem Omnibus- und LKW-Verkehr. Dem verschärften Konkurrenzkampf im Personentransport nach dem Krieg fielen Straßen- und Eisenbahn zum Opfer.

Güterverkehr Velbert

1921-23

1939

1949

1955

1960

Stückgut (in t)

?

32.000

?

13.000

?

Massengut (in t)

?

250.000

?

177.000

?

           

Fahrkarten / Jahr

         

Velbert

200.000

100.000

~ 50.000

?

10.220

Heiligenhaus

?

?

?

?

3.650

Tönisheide

?

?

?

?

1.095


Die Bundesbahn stellte deshalb am 2. Oktober 1960 den Personenzugverkehr und den Reisegepäcktransport auf den Bahnhöfen Heiligenhaus, Velbert, Tönisheide und Wülfrath ein und legte darüber hinaus die Strecke Kettwig - Heiligenhaus wenig später ganz still, so daß Heiligenhaus im Güterverkehr heute nur noch über Velbert zu erreichen ist. Der Raum Niederberg mir den Städten Heiligenhaus, Velbert und Wülfrath dürfte der einzige Wirtschaftsraum in Deutschland mit etwa 150.000 Einwohner sein, die im Eisenbahnpersonenverkehr nicht mehr zu erreichen ist.


Quellen:
Kleinbahn Velbert - Heiligenhaus - Hösel, Lothar Riedel, 1996
Handbuch der deutschen Eisenbahnstrecken, Nachdruck Dumjahn, 1984
Kulturgeographische Entwicklung eines niederbergischen Industrieraumes, Gert Ritter, 1965
Cis Hilinciweg, Broschüre V des Heiligenhauser Geschichtsvereins, 1980