Wiederinbetriebnahme der Niederbergbahn

Die Region Niederberg, ein Raum mit hohem Verkehrsaufkommen und starken Verflechtungen mit den Nachbargemeinden und den umgebenden Großstädten, braucht leistungsstarke Verkehrsachsen, um die vorhandenen Mobilitätsbedürfnisse zu befriedigen. Gerade für die zahlreichen Berufspendler bietet sich anstelle der A 44 mit wenigen ortsfernen Anschlußstellen vielmehr die Reaktivierung der "Niederbergischen Bahn" an.

Eine entsprechende Trasse ist bereits vorhanden: sie beginnt an der S 6 in Essen-Kettwig (Stausee) und verläuft Richtung Osten mitten durch Heiligenhaus und Velbert. Dann biegt die Strecke nach Süden über Velbert - Tönisheide ab nach Wülfrath, wo sie zum einen den Anschluß an die "Angertalbahn" (v.a. Kalk-Güterzüge) sowie zum anderen an den stillgelegten "Aprather Bogen" in Richtung RB 9 / S 9 (zwischen Velbert-Neviges und Wuppertal-Vohwinkel) findet, Heiligenhaus, Uelbert (88.000 Einwohner !) und Wülfrath hätten endlich einen Schienenanschluß nach Düsseldorf und - über die S 9 (ab 1999) - auch nach Essen.


Die Trasse ist vorhanden

Die Niederberg-Bahn wurde bereits Ende des vorigen Jahrhunderts geplant, jedoch im Abschnitt Kettwig - Heiligenhaus - Velbert erst 1925/26 eröffnet. In den Jahren 1960/61, einer Zeit, als man nur auf das Auto setzte, wurde der Teil Kettwig - Heiligenhaus komplett stillgelegt, ebenso der Personenverkehr auf der Gesamtstrecke, Das Stillegungsverfahren für den Güterverkehr im Teil Heiligenhaus - Velbert wurde jüngst abgeschlossen. Auf dem Ast Velbert - Wülfrath ruht der Güterverkehr formlos. Als Ende der sechziger Jahre die S-Bahn Rhein-Ruhr konzipiert wurde, tauchte die Trasse erneut auf, diesmal als "S-Bahn- Zulaufstrecke, die die ländlichen Gebiete mit ihren Entwicklungsschwerpunkten an das Kernruhrgebiet anbinden" sollte. In den folgenden S-Bahn-Bedarfsplänen war das Projekt zeitweise enthalten, jedoch nicht mehr im ÖPNV- Bedarfsplan 1989: man war nun der Ansicht, da8 eine S-Bahn hier nicht notwendig sei und die Kommunen im Zuge der Regionalisierung ab 1996 darüber neu entscheiden können. Im Gebietsentwicklungsplan (GEP) von 1984/86 wird die Niederbergische Bahn als S-Bahn für den möglichen späteren Bedarf aufgeführt und positiv beurteilt: "Für die baldige Inbetriebnahme der Strecke Essen - Heiligenhaus - Velbert sprechen die äußerst günstigen Zuordnungen der Wohn- und Arbeitsstätten zur Schienenstrecke, die schlechte Versorgung dieses Raumes durch den ÖPNV, die Überlastung der innerstädtischen Straßen und die ausgeprägten Pendlerströme in die benachbarten Oberzentren. Die Aufnahme der alten Trasse und die Herrichtung der Gesamtstrecke für den Personenverkehr ist mit verhältnismäßig geringen Kosten zu realisieren." Im derzeitigen Entwurf für den neuen GEP ist die Strecke nach wie vor enthalten, allerdings nicht mehr auf eine S-Bahn beschränkt, sondern allgemein für einen spurgebundenen Verkehr vorgesehen.


Noch nicht in den aktuellen Plänen

Die Trasse ist ferner in den Flächennutzungsplänen von Heiligenhaus und Velbert enthalten. Die stillgelegten und von der Deutschen Bahn zu entwidmenden Abschnitte sollen mittels Bebauungspläne als Verkehrsflächen gesichert werden. Auch in den Verkehrsentwicklungsplänen und in Sondergutachten werden Überlegungen zur Reaktivierung angestellt. Zur Zeit wird von Aachener Büros der Nahverkehrsplan (NVP) des Kreises Mettmann und vom VRR der Schienen-NVP erstellt. Mangels konkreter Bauvorstellungen (ein NVP soll auf fünf Jahre ausgelegt sein) spart der VRR-NVP-Entwurf die Strecke aus. Der NVP des Kreises wird aus eben diesem Grunde die Bahn nicht direkt aufnehmen, wohl aber wahrscheinlich zeichnerisch nachrichtlich. Vor dem Hintergrund, daß schienengleiche Bahnübergänge (BÜ) möglichst mittels Brücken zu beseitigen sind, muß unterstrichen werden, daß diese Linie bereits bei ihrem Bau fast vollständig von solchen Bahnübergängen frei gehalten worden ist.


Eine Frage von Planungsstandards

Es bleibt festzuhalten: Auf der einen Seite wird der Strecke offiziell eine hohe Verkehrsbedeutung zugemessen, auf der anderen Seite ist es aber nie zum Bau der geplanten S-Bahn gekommen. Wie ist dies zu erklären? Eine Standard-S- Bahn-Rhein-Ruhr ist das teuerste Schienen - Nahverkehrsmittel. Es ist sehr leistungsstark und muß dies auch sein, um die hohen Kosten zu rechtfertigen. Doch die Relation Kettwig - Heiligenhaus - Velbert wäre im Verkehrsaufkommen nicht zu vergleichen mit anderen S-Bahn-Strecken, die Großstädte miteinander verbinden. Hinzu kommt, daß die Halte - Abstände einer S-Bahn in der Region Rhein-Ruhr zwischen 1,7 und 3,4 km betragen. Die durchschnittlich 1,6 km langen Abstände einer S-Bahn-Niederberg (in Heiligenhaus 4 - 5 Haltepunkte) wären trotz ihres Minimums immer noch zu gro8, um das enge Geflecht von Wohnsiedlungen und Industriebetrieben attraktiv zu erschlie8en. Neue Möglichkeiten aus diesem Dilemma eröffnen sich aufgrund der Bahnstrukturreform seit 1.1.1994 und der Regionalisierung des Nahverkehrs ab 1.1.1996 allgemein sowie beim Schienennahverkehr ab 1.1.1998 im speziellen, und zwar hinsichtlich des Fahrzeugeinsatzes, der Betriebsformen und der Betreibermodelle. Die Fahrzeughersteller haben ihre Produktpalette um die Familie der "Leichten Nahverkehrs - Triebwagen (LNT)" erweitert. Diese Fahrzeuge beinhalten Komponenten aus der Bus- und Straßenbahnproduktion und sind deshalb relativ kostengünstig und verbrauchsarm, wie zum Beispiel der REGIOSPRINTER von der Firma DUEWAG bei der Dürener Kreisbahn.


Eine Frage der Organisation

Die Dürener Kreisbahn hat ebenfalls erwiesen, daß auf Nebenbahnen durch vereinfachte Betriebsformen und Automatisierung gegenüber der Deutschen Bahn erhebliche Betriebskosten zu sparen sind. Am 1.1.1998 wird die Deutsche Bahn ihr Monopol im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) verlieren. Dann können auch rein private Anbieter auf DB-Strecken als Konkurrenz antreten. Es ist zu hoffen, daß dann im Sinne der bestellenden Kommunen günstigere Angebote kalkuliert werden. Schließ1ich sollte die Möglichkeit geprüft werden, inwieweit Streckeninvestitionen sich dadurch eher lohnen, daß in Ergänzung auch Güterverkehre stattfinden. Für den Raum Niederberg bietet sich abgesehen von der Industriebelieferung allgemein - vor allem der Mülltransport auf der Schiene an, und zwar anschlie8end auf der eben- falls zu reaktivierenden "Samba - Strecke" zur Müllverbrennungsanlage nach Wuppertal-Cronenberg. Auch hinsichtlich von Betreibermodellen gibt es verschiedene Möglichkeiten. So ist bei SPNV - Linien zwischen der Trasse und dem Verkehr darauf zu unterscheiden. Die Trasse kann demnach im Eigentum der DB AG bleiben, die ihre Schienen einem Verkehrsunternehmen zugänglich macht, sofern sie nicht selbst ihre Züge darüber fahren lä8t. Die Trasse könnte aber auch zum Beispiel in kommunales Eigentum übergehen und selbst oder durch ein beauftragtes Unternehmen hergerichtet und unterhalten werden. Der Betrieb könnte selbst durchgeführt oder ebenfalls vergeben werden.


Augenmaß ist gefordert

Die Möglichkeiten für die Wiederaufnahme eines spurgeführten öffentlichen Verkehrs auf der Niederberg - Bahn sind so vielfältig, da8 nach sorgfältiger, noch durchzuführender Prüfung diejenige ausgewählte werden sollte, welche einen möglichst wirtschaftlichen Betrieb erzielt. Die Kostenersparnis darf dabei nicht zu Lasten der Attraktivität gehen, denn die Mehreinnahmen durch höhere Fahrgastzahlen können höhere Kosten rechtfertigen. Aus verkehrlicher Sicht ist ein Modell zu favorisieren, das möglichst viel Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert und so dazu beiträgt, einer A 44 endgültig die Verkehrsbedeutung zu entziehen. Die Flexibilität durch neue Schienentechnik und Gesetze bieten hierzu einen neuen Handlungsrahmen, der von den Verantwortlichen zu nutzen ist !


Dipl.-lng. Axel Keimling, Heiligenhaus